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John Scalzi

Der wilde Planet

  • Autor:John Scalzi
  • Titel: Der wilde Planet
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Heyne Verlag
  • Datum:12 September 2011
  • Preis:EUR 8,99 EUR

 
»Der wilde Planet« von John Scalzi


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(5)

 
 
Jack Holloway, Ex-Anwalt und nun Prospektor für die Firma Zarathustra Corporation auf dem Planeten Zara XXIII, scheint einen wirklich guten Tag zu erleben. Nicht nur das er auf das wohl reichhaltigste Vorkommen der begehrten Sonnensteine gestoßen ist – das ihn wahrhaft zu einem reichen Mann machen wird -, nein, er entdeckt noch etwas wesentlich wichtigeres – die Fuzzys. Kleine, niedliche Katzenwesen die sich nicht nur als sehr zutraulich erweisen, sondern auch als recht „lernfähig“. Die pikante Frage ist dabei: Wie „lernfähig“ sind sie tatsächlich. Oder anders ausgedrückt: Sind sie eventuell intelligent?

Denn um genau diese Frage dreht sich die ganze Geschichte. Sollten die Fuzzys tatsächlich intelligent sein und nicht nur „lernfähig“, bzw. dressierbar wie ein Hündchen, würde die Firma Zarathustra Corporation die Rechte für den Abbau der Rohstoffe und der Sonnensteine verlieren und dadurch einen Milliardenverlust erleiden. Denn als oberstes Gebot der übergeordneten Kolonialverwaltung gilt: Gibt es intelligente Bewohner, gehört der Planet ihnen und darf durch menschliche Konzerne nicht mehr ausgebeutet werden.

Zarathustra Corporation setzt daraufhin alle legalen und illegalen Mittel ein um zu verhindern das den Fuzzys der Status eines intelligenten Volkes zugestanden wird. Ihnen gegenüber steht eine Handvoll aufrechter Menschen die sich auf die Seite der Fuzzys schlagen und für ihre Rechte eintreten. Einer davon ist Jack Holloway.

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Während man unter SF Fans noch die Frage diskutiert ob die SF schon tot ist und überhaupt noch Impulse setzen kann, beweist für mich John Scalzi in dem vorliegenden Buch das man diese Frage eigentlich gar nicht mehr zu stellen braucht. Das Genre lebt und, was noch viel besser ist, es hat Humor und macht einfach Spaß zu lesen. Auch wenn die Geschichte lediglich eine Neuerzählung des 1962 für den Hugo Award nominierten Romans von Henry Beam Piper, Little Fuzzy, ist, so ist die Thematik doch keineswegs überaltert.

Scalzi greift hier ein altbekanntes Thema auf und man könnte fast meinen, er erzählt hier einen historischen Roman dessen Handlung er lediglich in den Weltraum verlegt hat. Der Kampf von Ureinwohnern gegen ausbeuterische Konzerne oder Länder ist so alt wie die Menschheit selbst. Wenn’s irgendwo etwas zu holen gibt wird jemand da sein, der es sich nimmt. Ohne Rücksicht und notfalls auch mit Gewalt. Ob es die amerikanischen Pioniere im Westen der USA waren, die Konquistadoren aus der alten Welt oder ein Unternehmen wie Zarathustra Corporation in ferner Zukunft ist dabei völlig egal.

In vorliegenden Buch können sich die Einwohner aufgrund ihrer Liebenswürdigkeit und Hilflosigkeit nicht zur Wehr setzen. Sie sind auf die Hilfe derer angewiesen, die ursprünglich losgezogen sind um eben genau jene Ausbeutung in die Wege zu leiten. Und bei ihrer Suche nach Hilfe kommt ihnen ihr knuffiges Aussehen, ihre Unschuld und ihr unglaublicher Charme zugute, der auf einer Skala von 1-10 mindestens den Wert 12 erreicht. Wem die Sympathien des Lesers gelten ist daher auch keine Frage. Hier hat es sich Scalzi vielleicht etwas zu leicht gemacht. Grauzonen gibt es bei ihn nicht, nur die Schublade –gut- und –böse-. Die Fronten sind klar abgesteckt und lassen auch wenig Spielraum für Interpretationen.

Das Buch reizt aber auch ein wenig zum Nachdenken, denn man kann sich durchaus die Frage stellen wie wir als Verbraucher reagieren würden, wenn wir auf die auf Planet Zara XXIII abgebauten Mineralien angewiesen wären. Würden wir tatsächlich auf diese verzichten um den Fuzzys eine sorgenlose Zukunft zu gönnen? Wir, die auf ihrem eigenen Planeten den Regenwald vernichten, Raubbau an der Natur begehen und uns unsere Kleidung durch Kinder- und Sklavenarbeit anfertigen lassen? Würden wir uns auch auf die Seite der pelzigen Wesen schlagen und Mark Sullivan, Jack Holloway und Isabel Wangei unterstützen? Oder würde unsere Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft in dem Augenblick wie eine Seifenblase zerplatzen wenn wir die Mineralien von Zara XXIII unbedingt benötigen weil daraus lebenswichtige Medikamente oder ähnliches gewonnen werden könnten? Denken wir mal drüber nach.

Auch wenn die Charakterzeichnung der Handlungsträger relativ oberflächlich bleibt wird es dem Leser aufgrund ihrer Unbekümmertheit und Schlagfertigkeit leicht gemacht sie zu mögen. Von Isabel Wangei erfahren wir das sie Biologin und die Ex-Freundin von Holloway ist, Mark Sullivan ist Firmenanwalt und der neue Freund von Isabel. Das war es dann aber auch schon. Lediglich die Lebensgeschichte von Jack Holloway wird etwas näher beleuchtet. Der Leser erfährt das er Anwalt war und warum er seinen Job verloren hat. Auch sein Gefühlsleben wird näher unter die Lupe genommen. Lernt man ihn noch als netten und ehrbaren Mann kennen, so muss man gegen Ende der Geschichte doch sein Fehlurteil eingestehen. Wie er selber zugibt ist er ein nur auf seinen Vorteil bedachter und ein (relativ) skrupelloser Kerl, der auch bereit ist über Leichen zu gehen. Wie gut, dass er zufällig auf Seiten der Fuzzys steht und nicht auf der von Zarathustra. Die Geschichte wäre anders ausgegangen. Dennoch ist er ohne Frage die Identitätsfigur für den Leser. Von seiner Art her, seiner Schnoddrigkeit, seiner Schlagfertigkeit und seinem Humor vergleichbar mit Tom Stein (aus Agent der Sterne) oder Harry Creek (aus Androidenträume). Überhaupt gleichen sich die Hauptcharaktere vieler Scalzi Bücher.

Vergleicht man diese Geschichte mit der von anderen Autoren, die ebenfalls die Thematik behandelt haben (Alan Foster, Robert Wilson, Brian Aldiss), so fällt auf, dass hier mal nicht der Planet oder die Planetenintelligenz an sich zurückschlägt und für ihr Recht oder Überleben kämpft, sondern vielmehr der Mensch selber der sich auf die Seite der Unterdrückten schlägt. Die Fuzzys könnten das wohl kaum, denn die sind so unglaublich süss, dass man selbst allein vom Lesen schon Gefahr läuft an Diabetes zu erkranken. Auch wird die entscheidende Schlacht nicht im Dschungel oder Weltraum ausgetragen, sondern schlicht und ergreifend vor einem Gericht. Und das empfand ich als sehr angenehm, denn ich als Leser brauche nicht die x-te Raumschlacht um einen Konflikt zu beenden.

Das Ende des Buches und des Rätsels Lösung ist der einzige Punkt bei dem ich etwas Bauchschmerzen bekommen habe. Kann es wirklich sein, dass die „begrenzt“ intelligenten Fuzzys tatsächlich, nur anhand eines Infopanels und ohne jemals zuvor mit einem Menschen kommuniziert zu haben in der Lage waren die menschliche Sprache zu erlernen? Scalzi weist zwar darauf hin das es bei menschlichen Kindern in der Regel ähnlich abläuft, aber diese interagieren zumindest mit den Eltern und lernen nicht nur durch das Gehörte, sondern auch durch Sehen und Gestik. Und bei dem Infopanel von Sam Hamilton hat es sich um ein Leseprogramm gehandelt (denn Hamilton war quasi Analphabet und wollte lesen lernen) und nicht um ein Lernprogramm. Der Unterschied dürfte schon gravierend sein. Und, vor allen Dingen, wie bedient man ein Infopanel wenn man die Technik nicht beherrscht? Mit Sicherheit nicht durch Spracheingabe, denn zu diesem Zeitpunkt konnten die Fuzzys die menschliche Sprache noch nicht. Sie wollten sie ja erst durch das Infopanel lernen.

Dennoch kann ich abschließend nur sagen: Wer das Buch nicht mag, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
 


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