Bernd Perplies Carya-Trilogie 2
Im Schatten des Mondkaisers
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»Im Schatten des Mondkaisers« (Carya-Trilogie 2) von Bernd Perplies
Mit viel Glück haben es Carya und ihre Freunde geschafft den Häschern des Lux Dei in Arcadion zu entkommen. Aber ein Ausruhen kommt für alle nicht in Frage. Um ihre neuen Gastgeber, die Mutanten des Ödlandes, nicht weiter zu gefährden, ziehen Carya und Co weiter. Das Ziel der Reise ist der Ort, dessen Koordinaten Carya aus ihrem Raketenschiff vorliegen hat und der sich als Orly, in der Nähe von Paris in dem Land Francia liegend, entpuppt. Ein Ort, der von einem geheimnisvollen Mondkaiser regiert wird.
Um nicht über eintausend Kilometer per Land zurücklegen zu müssen, heuert Carya den Schmugglerkapitän Denning an, der sie über den Seeweg an Francias Küste bringen soll. Die Reise verläuft gefahrvoll, aber nach ein paar Tagen wird das Ziel dennoch gesund und munter erreicht. Carya und ihre Freunde werden in der Nähe von Le Havre an Land gesetzt. Der Weg führt sie weiter durch ein verwüstetes Francia nach Orly. Dort angekommen, wird das Trio nach einen Kampf getrennt. Carya wird von dem geheimnisvollen Botschafter Cartagena, der am Ort des Geschehens mit einem Raketenschiff eintrifft und von einen francianischen Minister erwartet wird, gefangen genommen und an den Hof des Mondkaisers gebracht. Dort wird sie jedoch paradoxerweise nicht als Gefangene, sondern als Gast und Begleiterin von Cartagena eingeführt und genießt viele Freiheiten. Jonan und Pitlit hingegen können bei dem Kampf entkommen und finden kurzzeitige Zuflucht im Waisenhaus von Monsieur Bonasse.
Während Carya am Hof des Mondkaisers versucht das Geheimnis ihrer Herkunft zu erkunden, denn es gibt gleich drei Leute die ihre wahre Identität kennen und ihr somit sagen können wer sie wirklich ist, versuchen Jonan und Pitlit alles, um Carya aus ihrer vermeintlichen Gefangenschaft zu befreien. Bei einem großen Ball zu Ehren Botschafter Cartagenas, überschlagen sich die Ereignisse. Jonan und Pitlit verschaffen sich unter einer falschen Identität Zugang zum Palast, Carya erfährt ihre wahre Herkunft – und Aufgabe und gerät endgültig in die Intrige einer geheimnisvollen Organisation, genannt die Erdenwacht.
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Großes Kino, das Bernd Perplies seinen Lesern im zweiten Band der Carya-Trilogie wieder bietet. Auch wenn oftmals der Faktor Zufall etwas überstrapaziert wird, anders lässt sich das Zusammentreffen von Carya und Botschafter Cartagena oder Jonan und Pitlits Treffen mit Monsieur Bonasse nicht erklären, ist das vorliegende Buch ein spannendes, gut durchdachtes und wunderbar flüssig zu lesendes Werk. Endlich erfährt Carya das Geheimnis ihrer wahren Herkunft. Ein Geheimnis, das ihr so gar nicht schmecken will und für sie eher erschütternd und niederschmetternd ist. Die große Erleichterung endlich zu wissen wer sie ist, will sich daher auch nicht wirklich einstellen. Gleichzeitig werden Fragen aufgeworfen, deren Antworten sie unbedingt ergründen will und die sie, im dritten Band, in die Schwarze Zone führen wird. Ein Bereich, aus dem noch nie jemand zurückgekommen ist. Das klingt gut, das klingt spannend, das klingt lesenswert.
Genau wie der erste Band der Reihe, wagt auch dieses Buch den Spagat zwischen einem Jugendroman und einem Buch für Erwachsene. Auf der einen Seite steht Carya. In ihrer schmachtenden Liebe zu Jonan und den immer wieder ausgetauschten Zärtlichkeiten mit ihm, macht es aus der offensichtlichen Zielgruppe der Leser kein Geheimnis. Aber dann gibt es auch wieder die Momente, in denen Carya zu einer eiskalten Killerin wird und in der sie ohne Kompromisse tötet, wenn auch, aufgrund ihrer Konditionierung, automatisch und ohne ihr bewusstes Zutun. Sie macht das, was nötig ist um in einer gnadenlosen Welt, in der jeder Fehler oder jedes gewährte Pardon tödlich sein kann, zu überleben. Etwas ähnliches kennt man aus dem Buch Die Tribute von Panem von Suzanne Collins, in denen die Protagonistin Katniss Everdeen vor die gleichen Probleme gestellt wird. Auch sie muss gnadenlos sein um zu überleben. Skrupel darf sie sich nicht erlauben, nur die, die sich davon befreien können, überleben. In so einer Welt zurecht zu kommen ist nicht leicht.
Ein weiteres Minenfeld für Carya findet sich in den zahlreichen Intrigen, die am Hof des Mondkaisers (das Äquivalent zu Ludwig XIV., der allgemein nur als der Sonnenkönig bezeichnet wurde) gesponnen werden. Wie im richtigen Leben möchte man meinen. Der schließt eine Allianz mit dem, jener mit diesem, Hinz mit Kunz, A-Hörnchen mit B-Hörnchen und mittendrin Carya, die das eigentlich alles gar nicht interessiert, aber dennoch, ohne das sie es weiß, eine schicksalhafte Rolle spielen wird. Das hat sich Perplies richtig gut ausgedacht. Auch wenn es manchmal verwirrend ist, bei einer guten Intrige weiß man ja nicht immer wer mit wem gerade paktiert, übertreibt Perplies die ganze Sache nicht und folgt seinem roten Faden. So ist es kein Wunder, dass die Handlung rund um Jonan und Pitlit, die zwar erheblich actionreicher und bedrohlicher ist, nicht ganz an dieses Ränkespiel rund um Carya heranreicht. Carya ist dem Geheimnis ihrer Herkunft zwar dicht auf der Spur, hinkt dann aber immer wieder im entscheidenden Moment dem berühmten letzten Schritt hinterher. Der Mann, der ihr helfen möchte, wird ermordet, und Botschafter Cartagena hüllt sich dezent in Schweigen, welches er Carya gegenüber jedoch im großen Finale endlich bricht.
Wie auch im Vorgänger, hat Perplies wieder eine handvoll liebenswürdiger Charaktere erschaffen die Carya und ihre Freunde unterstützen. Ob es nun Monsieur Bonasse, Kapitän Denning, Minister de Funes oder der Soldat Godard sind, sie alle tragen dazu bei, dass den drei Freunden auf die eine oder andere Weise geholfen wird. Allerdings bleiben alle auch etwas eindimensional. Sie sind Helfer in der Not, mehr aber auch nicht. Ein Hintergrund für die Charaktere wird mit schneller Feder gezeichnet, bleibt aber oberflächlich und vordergründig, wie auch Caryas großer Gegenspieler, Botschafter Cartagena. Das ist ein bisschen schade, denn gerade der Botschafter wäre es wert gewesen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Er stellt sich Carya als Mitglied der bis dato unbekannten Erdenwacht vor und ist ein zwielichtiger Intrigant. Aber, genau wie alle anderen, dient er Perplies nur als Mittel zum Zweck und wird nicht näher beleuchtet. Auch der Mondkaiser selber, immerhin Namensgeber für das vorliegende Buch, wird mehr als stiefmütterlich behandelt. Obwohl er und sein Hofstaat in Saus und Braus leben, während der Rest des Reiches Hunger leidet, scheint er kein schlechter Mensch zu sein. Im Gegenteil, er erweist sich als umgänglich, gütig und gerecht. Nachdem Jonan beim Verlassen des Hofes einen Blick auf sein unverhülltes Gesicht werfen konnte, ergibt sich daraus gleich die nächste Frage. Die Antwort darauf kann eigentlich nur eine sein, diese wäre aber äußerst verwunderlich und würde dem Ganzen die sprichwörtliche Krone aufsetzen (was bei einem Kaiser aber sehr passend wäre).
Das Buch endet so, wie auch sein Vorgänger - mit einer bevorstehenden Reise für Carya, Jonan und Pitlit. Auch wenn es keinen Cliffhanger gibt, so wird die Fortsetzung dennoch ein -must read- für alle Leser. Nun gilt es nicht mehr die Identität von Carya zu enthüllen, sondern vielmehr die Machenschaften jener geheimnisvollen Organisation namens Erdenwacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Perplies auch dieses Buch wieder zu einem vorzüglichen und spannenden Leseereignis gestalten wird.