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James Corey

The Expanse-Serie 10
Das Protomolekül

  • Autor: James Corey
  • Titel: Das Protomolekül
  • Serie:The Expanse-Serie 10
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Heyne
  • Datum:11 Juli 2022
  • Preis:16 EUR

 
»Das Protomolekül« (The Expanse-Serie 10) von James Corey


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(4.5)

 
 
In dem vorliegenden Buch finden sich acht neue Geschichten, die allesamt in dem Expanse Universe beheimatet sind. Teilweise sind es Erzählungen die für sich alleine stehen, teilweise greifen sie bekannte Personen oder Ereignisse aus der Reihe auf und verleihen so dem Leser neue und umfassendere Einsichten. Ich bin ein großer Fan der Expanse Reihe, muss aber gestehen, dass mich die letzten zwei oder drei Bücher nicht mehr so richtig packen konnten, daher war ich umso gespannter auf den Zusatzband. Um es kurz zu machen: Er hat mir recht gut gefallen.

Die Geschichten im Einzelnen:

1. Antrieb
In der ersten Geschichte begleiten wir Solomon Eppstein, den Erfinder des Eppstein Antriebs, auf einem seiner ersten Testflüge mit einem modifizierten Antrieb. Einem Flug, den er leider nicht überleben wird. Während seines durchaus langen Sterbevorgangs reflektiert er sein Leben ab dem Zeitpunkt, an dem er seine spätere Frau kennen und zu lieben gelernt hat.

Eine schöne, aber auch traurige Geschichte. Eppstein ist ein rundum sympathischer Mensch, der diese Art zu sterben nicht verdient hat. Letztenendes hat er sein Leben geopfert, um der Menschheit den Sprung ins All zu ermöglichen, um es mal etwas pathetisch auszudrücken.


2. Der Schlächter der Anderson-Station
Fred Johnson, eben jener Schlächter der Anderson-Station und Mörder von unschuldigen Zivilisten, wird von keinem geringeren als Anderson Dawes gekidnappt. Während des Verhörs kommen so einige, bisher nicht bekannte Tatsachen ans Licht. Johnson erzählt die Geschichte um den Massenmord an den Gürtlern aus seiner Perpektive. Das ändert zwar nichts am Ausgang des Massenmordes, aber man erfährt endlich, warum der alte Haudegen seinen Dienst bei den Erdtruppen gekündigt hat – und mit welchen Mitteln seine militärischen Vorgesetzten dieses Ereignis quasi heraufbeschworen haben.

In dieser Geschichte treffen gleich zwei Hauptcharaktere der Reihe aufeinander und liefern sich eine Art Psychoduell. Ich habe den alten Haudegen Johnson ja immer gemocht, im Buch und auch im Film, und konnte nie begreifen, wieso dieser durchaus sympathische und kluge Mensch zu einem Massenmörder wurde. Jetzt weiß ich es. Eine schöne Erzählung, gespickt mit Hintergrundwissen um das, was damals wirklich passiert ist und warum im Endeffekt oftmals nur die halbe Wahrheit ans Licht kommt.


3. Der Gott des Risikos
Protagonist ist der junge marsianische Student David, Neffe von Bobbie Draper, die hier ein paar Kurzauftritte hat. Genau wie Walter White, alias Heisenberg in der TV Serie Breaking Bad, stellt David für einen Mann names Hutch Drogen her. Teilweise verdient er sich damit sein Geld, teilweise aus Liebe zu der jungen Leelee. David ist noch jung und versucht seinen Platz im Leben zu finden. Als am Ende die Ereignisse aus den Fugen geraten, kann er auf die tatkräftige Hilfe seiner Tante Bobbie zählen.

Eine nette Geschichte, die auf dem Mars spielt und dort das Leben der Bewohner im Fokus hat. Sie hat jetzt keinen tieferen Sinn oder handelt Ereignisse ab, die in der Serie aufgeworfen wurden. Die Autoren, so ist im Nachwort zu lesen, wollten dem Leser einfach mal einen Eindruck in das Leben auf dem Mars gewähren und einen kurzen Blick auf Bobbies weiteres Leben, nachdem sie aus der Mars Marine ausgeschieden ist, geben. Bei dieser Geschichte ist man sich relativ lange im Unklaren darüber, worauf sie überhaupt hinausläuft.


4. Der Mahlstrom
Hauptprotagonist der Geschichte ist der Schläger und Mörder Timmy, der von seinem Freund Erich in die Verbrecherbande von Burton eingeführt wird. Timmy ist auf der einen Seite zwar recht einfältig, besitzt aber eine Bauernschläue und Gewissenlosigkeit die Burton gefällt. Als die Polizei jagd auf Burton macht, möchte dieser seine Mitwisser und direkten Untergebenen loswerden. So erhält Timmy den Auftrag, seinen Freund Erich zu töten. Timmy erweisst sich gegenüber Erich jedoch als loyal und dreht den Spieß um.

Eine wirklich interessante Geschichte über Loyalität und Freundschaft, wie ich finde. Sie wäre für das Expanse Universum eigentlich ohne jegliche Bedeutung - wenn am Ende nicht dieser Twist stehen würde. Denn nachdem Timmy Burton getötet hat, nimmt er dessen Namen an und nennt sich ab jenem Augenblick nur noch Amos Burton. Und den sollten wir ja alle kennen. Man bekommt einen guten Einblick in das Leben von Amos und erfährt etwas über seinen Werdegang auf der Erde und was für eine Art Mensch er ist. Diese Art von tiefer Loyalität beweist er so gesehen nicht nur gegenüber Erich, sondern später auch gegenüber der Crew der Rosinante.


5. Der letzte Abgrund
Diese Geschichte beinhaltet das Schicksal der Protogen Wissenschaftler, die unter Anthony Dresden an dem Protomolekül geforscht haben und nach ihrer Gefangennahme von den Marsianern weggesperrt wurden. Anders kann man das nicht sagen, da diese jahrelang unter strenger Bewachung im Gefängnis mehr oder weniger vor sich hinvegetiert haben. Aber, trotz allem, ist ihr Wissen für die Marsianer noch von großem Nutzen, wie sich herausstellt.

Einer der Wissenschaftler, Paulo Cortazar, wird dabei in den Vordergrund gerückt. Die Geschichte erzählt so gesehen hauptsächlich seinen Lebensweg und wie er durch eine Droge freiwillig zu einem amoralischen Menschen wurde. Diese Story ist zwar durchaus nett und beleuchtet noch einmal kurz die Geschehnisse der ersten drei oder vier Bände aus der Sicht der am Protomolekül forschenden Wissenschafter, ist meiner Ansicht nach aber um 20 bis 30 Seiten zu lang. Ganz im Ernst? Ich fand alle Beteiligten durchwegs umsympathisch.


6. Seltsame Hunde
Diese Geschichte spielt auf Laconia, zu einer Zeit, als der Planet gerade erst besiedelt wurde. Die junge, eher introvertierte Cara, tötet an einem Teich unbeabsichtigt einen Vogel. Kurze Zeit später sieht sie, wie Lebewesen, die an Hunde erinnern, den Kadaver fortschaffen. Als sie einen Tag später wieder am Teich spielen will, sieht sie eben jenen Vogel lebendig und munter auf dem Wasser. Cara ist sehr überrascht und ordnet diese Wiederbelebung den Hunden zu, die den Kadaver ja hinfortgeschafft hatten. Als einige Zeit später ihr Bruder Xan bei einem Unfall ums Leben kommt, weiß Cara genau was nun zu tun ist.

Diese Geschichte erinnert mich frappierend an Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King und ist eigentlich auch genauso tragisch. Der Entschluß von Cara ist nachvollziehbar, das Entsetzen ihre Eltern ebenfalls. So gesehen ist die sich anbahnende Tragödie nur allzu verständlich. Eine wirklich gute und interessante Geschichte. Mich wundert nur, dass man von diesen Hunden in den letzten Bänden der Reihe so gar nichts mehr hört.


7. Auberon
Der Planet Auberon bekommt nach der allgemeinen Machtübernahme von Winston Duarte einen neuen laconianischen Gouverneur: Biryar Rittenaur. Er soll in Zukunft die Geschicke des Planeten lenken. Biryar hat hohe moralische Wertvorstellungen und ist ein ehrbarer Mann. Er hat aber auch einen einheimischen Gangsterboss zum Gegner der das nicht einfach so hinnehmen will. Mit Geschick und Weitsicht gelingt es ihm schlussendlich Biryar mit dessen eigenen moralischen Maßstäben zu schlagen.

Dies ist meine Lieblingsgeschichte in dem vorliegenden Buch. Biryar und seine Frau sind für mich sehr sympathisch und ehrbar. Umso trauriger macht es mich, dass Biryar ausgerechnet aufgrund seiner moralischen Wertvorstellungen und die Liebe zu seiner Frau so in die Ecke gedrängt wird, dass er sich selber zu einem korrumpierten und unehrenhaften Mann degradiert. Es ist aber auch spannend zu lesen, wie er und der Verbrecherboss Erich (jener Erich aus der Geschichte Der Mahlstrom) sich gegenseitig immer wieder versuchen aus dem Spiel zu nehmen. Trotz allen ist auch Biryars Gegenspieler Erich nicht unbedingt unsympathisch. Eine wirklich tolle Geschichte die Spaß gemacht hat zu lesen.


8. Die Schuld unserer Väter
Auf dem Planeten Jannah sind 436 Menschen nach dem Zusammenbruch des Portalnetzwerkes gestrandet. Wohl für immer. Einer dieser Gestrandeten ist Filip Nagata, Noamis Sohn. Die Tierwelt ist der kleinen menschlichen Siedlung nicht unbedingt wohlgesonnen und es kommt zum Streit darüber, ob es besser ist die Siedlung zu verlegen oder sie weiter auszubauen und sie besser zu schützen. Die Mehrheit entscheidet sich für den Umzug, aber es gibt einen Querulanten, samt Anhänger, der anderer Ansicht ist. Nachdem Filip erkennen muss, dass der eigentliche Anführer zu schwach und ängstlich ist und sich gegen den Querulanten nicht wird durchsetzen können, ergreift er die Initiative und entscheidet diese Auseinandersetzung auf seine eigene (tragische) Art.

Starke Geschichte, die ein wohl altbekanntes menschliches Problem behandelt – das vermeintliche Recht des Stärkeren. Was passiert, wenn die Mehrheit sich anders entscheidet als der Stärkere, dieser es aber nicht aktzepiert und niemand da ist, der ihm die Stirn bietet? Läßt man es ihm einmal durchgehen, läßt man es ihm immer durchgehen. Filip handelt auf die einzige Art die er von seinem Vater gelernt hat: Mit Gewalt. Ich grübel immer noch darüber, ob ich sein Handeln gutheißen oder verurteilen soll. Wie wohl auch der Rest der Gestrandeten auf Jannah.

Fazit
Man muss dem Buch wirklich zu gute halten, dass nicht irgendetwas Belangloses erzählt wurde nur um noch einmal in das Expanse Universe einzutauchen. Viele alte Themen aus der Serie sind aufgegriffen, einige offene Fragen abgehandelt worden. Nicht unbekannte Protagonisten sind die Charaktere der Geschichten, sondern allseits bekannte wie Bobbi, Amos, Fred, Filip oder Anderson Dawes. Die letzten beiden Geschichten sind recht emotional und tiefgründig und werfen Fragen auf, die auch heute noch aktuell sind. Sehr schön auch die Anmerkungen zu den einzelnen Storys von den Autoren selbst, am Ende der Geschichten. Hier gehen sie noch einmal explizit darauf ein, warum sie eben jene Geschichte geschrieben haben und welche Intension dahinterstand. Das liest sich immer sehr aufschlußreich und dient zum besseren Verständnis. Mir hat das Buch wirklich gut gefallen und ich empfinde es als guten und abschließenden Beitrag zur Expanse Reihe.
 


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