Stephen King
Der Anschlag
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»Der Anschlag« von Stephen King
Jake Eppings Welt wird komplett auf den Kopf gestellt, als er einen mysteriösen Anruf von Al – Kumpel und Inhaber des örtlichen Diners – erhält. Al hört sich an, als wäre er von jetzt auf gleich um 20 Jahre gealtert und bittet ihn, sich dringend mit ihm zu treffen. Als Jake Al gegenüber steht, bekommt er einen Schock: abgemagert, gealtert, todkrank – dabei war er am Tag zuvor noch fit! Die Erklärung lässt nicht lange auf sich warten, doch was Jake nun erfährt, hätte er nie erwartet. Das Diner befindet sich direkt über einem Zugang zur Vergangenheit, mit nur wenigen Schritten landet man im Jahr 1958. Und während im Hier und Jetzt nur 2 Minuten vergehen, bis der Reisende wieder zurückkehrt, kann man in der vergangenen Zeit ein halbes Leben führen. Al hat genau das getan. Zu Beginn nutzte er den sogenannten Kaninchenbau für Kurztrips, doch dann reifte in ihm der Entschluss, das Attentat auf John F. Kennedy zu verhindern. Vier Jahre lebte er im Amerika der späten 50er und frühen 60er Jahre, doch erkrankte unheilbar an Krebs. Um seinen Plan doch noch durchführen zu können, kehrte er ins Jahr 2011 zurück und „vererbte“ Jake seine Mission - dieser soll an seiner Stelle den Anschlag verhindern.
Nach einem ersten „Kurzbesuch“ ist Jake überzeugt, dass Al die Wahrheit sagt. Ausgestattet mit einer neuen Identität, einem Notizbuch mit Fakten rund um den Anschlag und genügend Geld reist er in der Zeit zurück. Nun ist es an ihm, den Lauf der Geschichte zu verändern oder Als letzten Wunsch zu ignorieren.
Hält man das Buch das erste Mal in der Hand, ist man fast schon erschlagen von diesem Wälzer. Doch die 1056 Seiten lesen sich schnell weg, so geschickt entführt Stephen King den Leser in die 60er Jahre. Denn hier wird nicht nur das Attentat auf JFK behandelt, sondern eine komplette (Lebens)Geschichte aufgebaut. Jake identifiziert sich immer mehr mit seinem Leben als George Amberson, schließt Freundschaften, arbeitet als Lehrer in einer High School. Und durch sein Dasein verändert er stetig die Welt – und die Zukunft. Immer wieder stellt er seinen „Auftrag“ in Frage; denn im heutigen Amerika ranken sich Verschwörungstheorien um den Mord an Präsident Kennedy – und längst ist nicht eindeutig bewiesen, ob Lee Harvey Oswald wirklich der Attentäter war. Und einen Unschuldigen ermorden kommt für Jake/George nicht in Frage.
Die Geschichte ist sehr berührend geschrieben, erzählt in der Ich-Form von Jake selbst. Glaubwürdig, sympathisch, ein rundum normaler Mensch, der nichts von einem Superhelden oder Rächer an sich hat - ein Mensch, der das richtige tun möchte. Durch diese Erzählweise rutscht man selbst mit ins Geschehen und bleibt nicht nur Zuschauer (oder Leser). Kleine Hinweise auf andere Bücher – wie beispielsweise "ES" – runden das Ganze noch ab. Auch die Zeitreiseregeln hat Stephen King gut gelöst und ganz ohne Logikfehler durchgezogen. Mir jedenfalls ist keiner aufgefallen.
Fazit:
„Der Anschlag“ ist definitiv kein Horror, sondern ein eher ruhiges Buch und mit „Die Verurteilten“ oder „The Green Mile“ vergleichbar. Trotzdem ist King hier absolut zu Höchstform aufgelaufen und hat ein wirklich packendes Buch geschrieben.[i]