J. H. Praßl Chroniken von Chaos und Ordnung 3
Bargh Barrowson
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»Bargh Barrowson« (Chroniken von Chaos und Ordnung 3) von J. H. Praßl
Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, seitdem Thorn Gandir und seine Begleiter in Al'Jebals Dienste getreten sind . Einige mit Freuden, andere eher unwillig.
Trotz der lange zusammen verbrachten Zeit, sind die fünf unterschiedlichen Menschen einander fremd geblieben. Eine Zweckgemeinschaft, in der Vertrauen und Freundschaft fehlen. Thorn ist zu verbittert, Telos und Osmosis sind zu sehr auf ihre Götter fixiert und Chara hält als Assassinen alle Gefühle von sich fern. Einzig Bargh ist ein Lichtblick in all der Düsternis, doch auch er verbirgt ein Geheimnis und die Gründe, warum er sich dem charismatischen Anführer angeschlossen hat, enthüllt er den anderen Gefährten nicht.
Bargh, Telos, Osmosis, Thorn und Chara werden auf weitere Missionen geschickt, um Verbündete für Al'Jebal zu finden . Oft wirken die Aufträge auf den ersten Blick einfach, doch hinter jedem lauert eine tödliche Gefahr. Der erste scheinbar einfache Auftrag führt die Gruppe an den Rand des Chaos und konfrontiert sie mit leidenschaftsloser Gewalt und Grausamkeit. Sie lernen Hakinen Dragati kennen den mit Al'Jebal eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Der selbsternannte Gott Dragati zeigt den fünf Helden, dass es immer noch eine Steigerung des Bösen geben kann, jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft. Er ist das personifizierte Chaos und führt seinen Gefangenen vor Augen, wie die Welt aussehen wird, wenn das Chaos die Oberhand gewinnt.
Nachdem sie ersten Auftrag in Amoravod erfolgreich zu Ende geführt habe n, ist ihre nächste Station, sehr zur Freude von Bargh, Valland. Der Nordmann kann es kaum erwarten, in seine Heimat zurück zu kehren. Das Volk der Vallander ist zerstritten. Aegluren, Freden, Godren und Veidaren kämpfen unentwegt gegeneinander. Bündnisse werden gewechselt wie die Hemden (obwohl dieser Vergleich bei Barbaren etwas unpassend ist, da sie diese ja kaum wechseln). Sie sind so auf sich selbst und ihre Machtkämpfe konzentriert, dass ihnen entgeht. wie sich an ihren Grenzen eine neue Bedrohung zusammenbraut und die Mächte des Chaos in die Welt zurück kehren. Nachdem Hakinen Dragati einen ersten Erfolg für sich verbuchen konnte, marschiert er mit seiner Armee auf Valland zu.
Den Abgesandten des Alten vom Berg bleibt nicht viel Zeit, um die Vallander zu einen, zumal der Feind in den Reihen der Nordmänner schon Verbündete gefunden hat und erfolgreich intrigiert. Es wird ein Thing einberufen, um die Barbaren zu einen. Da diplomatisches Geschick gefragt ist, übernimmt Telos die Verhandlungen.
Kommentar:
Chara und die anderen verfügen über kein Selbstvertrauen, kein Gottvertrauen und kein Vertrauen in ihre Gefährten , somit stehen sie ihren Ängsten, ihrem Zorn und ihrem Hass alleine gegenüber. An diesen Helden ist nichts heldenhaftes mehr. Die Autoren zeigen uns Facetten ihrer Protagonisten, die man als Leser nicht unbedingt kennen möchte. Das Bild des Helden wird zerstückelt und zerstört, zurück bleiben zweifelnde, einsame, verbitterte, verängstige oder zornige Menschen, die mit sich, der Welt und den Göttern hadern. Hier sind die Helden nicht unantastbar, werden auf keinen Sockel gestellt und verehrt. Die Ereignisse werden schonungslos, brutal, über jedes Maß des erträglichen hinaus, in Worte gefasst. Hier haben wir keine Ritter in schimmernder Rüstung sondern gebrochene Gestalten, die einer Gewalt ausgesetzt sind, die unfassbar und undenkbar ist. Was sie erleiden und erdulden müssen ist jenseits aller Vorstellungskraft, man erwartet nicht, dass auch nur einer von ihnen unbeschadet davon kommt.
Jeder der Gefährten reagiert auf die Erlebnisse anders. Von den Göttern verlassen, hadern Telos und Osmosis mit ihrem Schicksal. Die Abwesenheit ihrer Götter schreckt sie fast mehr, als das Grauen um sie herum. Thorn mutiert zu einem greinenden Häufchen Elend und ist dabei, seinen Verstand zu verlieren. Bargh muss erkennen, dass auch er gegen Angst nicht gefeit ist. Er ist hilflos angesichts der Gewalt, der er als Gefangener nichts entgegen zu setzen hat. Nur Chara wirkt stoisch und unbeeindruckt.
Dem Leser wird alles abverlangt , er bekommt einen Blick in die Abgründe menschliche Seele geliefert, auch das Verhalten im Angesicht des Todes. Es reicht von Fatalismus über Wut, Angst, Unglaube, Gleichgültigkeit bis hin zu purem Entsetzen. Die Praßls sind Wortkünstler, sie gehen virtuos mit der deutschen Sprache um und schildern eindringlich und bildhaft die Erlebnisse der fünf Hauptfiguren. Die ersten 150 Seiten sind beinahe nicht zu ertragen. Es ist eine exzessive Orgie der Gewalt. Folter, Vergewaltigung und Mord werden hemmungslos zelebriert, man blickt als Leser regelrecht in den Schlund der Hölle. Es gibt keine Atempause, denn das Leid endet nicht, nur weil man es nicht mehr ertragen kann. Es setzt sich fort und fort und fort, bis man als Leser die Flut des Grauens unterbricht und das Buch erst einmal auf Seite legt um seine Gedanken zu klären und wieder ans Licht zu treten. Auf diesen ersten 150 Seiten ereignet sich nichts positives, wir erleben mit, wie es sein wird, wenn das Chaos obsiegt. Und hier handelt es sich nur um einen Mann mit seiner Armee, was passiert, wenn der Feind sich zusammen schließt und das Ausmaß der Infiltrationen und Intrigen wahrhaft bekannt wird?
Obwohl dieser dritte Band Bargh Barrowson gewidmet ist , spielt er nicht unbedingt die zentrale Rolle. Meines Erachtens wird Chara wesentlich mehr Raum gegeben als dem Vallander. Was Chara anbelangt, stehe ich ihr sehr ambivalent gegenüber. Sie ist Al'Jebal fast hörig, eine gehorsamer Soldatin, ohne eigenes Denken, die lediglich Befehle ausführt, ohne an die Konsequenzen ihres Handels zu denken.
Dieses Bild, das der Leser von Chara bekommt, wandelt sich im Laufe der Geschicht e. Ihr verschlossenes Inneres öffnet sich einen Spalt breit, doch für eine Assassinin stellt dies eine größere Gefahr da, als jede körperliche Gewalt, die man an ihr verübt. Ihr hin und her, ihr Zwiespalt, ihre Unsicherheit und ihr Verhalten Al'Jebal gegenüber stellen die Geduld des Lesers oft auf eine harte Probe. Ähnlich wie das Verhalten Thorns, der so gar nichts mehr mit dem Waldläufer aus Band eins gemein hat. Doch die Wandlung der Charaktere ist ein muss, um die Geschichte glaubhaft fortzuführen, um Grenzen auszuloten und Stellung zu beziehen. Der Unterscheid zwischen der handelnden Chara und der Chara, die ihre Gedanken in das schwarze Buch einträgt, sind sehr groß. Während ihrer Aufträge und Aktionen verbietet sie sich jegliche Gedanken und Gefühle. Dann ist sie ist stur, still, emotionslos. Doch wenn sie schreibt, lässt sie sich treiben und ihre tiefsten Gedanken, Zweifel und Fragen dringen an die Oberfläche. Nie zeigt sie ihren Kampfgefährten ihr wahres Gesicht, doch der Leser darf miterleben, wie sich die junge Frau entwickelt und er erfährt, warum sie zu dem geworden ist, was sie ist. Nie würde sie die Gedanken und Gefühle, die sie diesem Buch anvertraut, einem Menschen anvertrauen, stets trägt sie die Maske der Unnahbarkeit, nie gibt sie sich eine Blöße.
Eine Bereicherung für die Truppe sind die Magierin Lucretia L'Incarto und der Zwerg Girim , die etwas Leben und Farbe in all die Düsterkeit bringen. Ein Lichtstrahl wie Liam in Band eins fehlt hier allerdings. Ebenso verzichten die Autoren hier auf humorvolle Dialoge, einzig eine Prise Sarkasmus dringt ab und zu durch. Die Verbündeten Al'Jebals sind eine interessante Mischung an Gestalten, deren Beweggründe nicht immer klar ersichtlich sind, was den Spannungsbogen auf einem hohen Level hält. Auch bleiben nach Ende dieses Bandes genug Fragen offen, die den Leser bis zum Erscheinen von Band vier beschäftigen werden.
Das Zusatzmaterial in Form von Karten und einem Glossar ist sehr umfangreich . Man sollte sich die Mühe machen, den Anhang zu lesen. Man bekommt einen guten Überblick über Personen, Länder , Geschichte und politische Gegebenheiten, was die Erzählung merklich bereichert. Zu empfehlen ist auch die Website zu den Chroniken von Chaos und Ordnung, die sehr ausführlich und wunderbar gestaltet ist. Hier kann der Leser auch in Interaktion mit den Autoren treten. Das Cover und die Illustration von Bargh passen zu den ersten beiden Bänden, am Ende werden alle Bände zusammen eine Zierde für jedes Fantasyregal ergeben.
Fazit:
Diese Serie sollte man unbedingt mit Band eins beginnen . Von Band zu Band offenbart sich dem Leser ein kleiner Teil der Chroniken, doch ein Gesamtbild wird man sicherlich erst nach Abschluss der Saga erhalten. Die Geschichte ist durchweg spannend, doch nichts für zarte Gemüter, da das Autorenduo vor klaren, ausdrucksstarken Beschreibungen exzessiver Gewalt nicht zurückschreckt. Die Ausdauer des Lesers wird mit glaubhaften Szenarien, ambivalenten und außergewöhnlichen Charakteren und einer anregenden, beeindruckenden Geschichte belohnt, die noch viel Entwicklungspotential hat.