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Jay Lake

Die Räder der Zeit

  • Autor:Jay Lake
  • Titel: Die Räder der Zeit
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Paperback
  • Verlag:Bastei Lübbe (Bastei Verlag)
  • Datum:14 März 2013
  • Preis:15,00 EUR

 
»Die Räder der Zeit« von Jay Lake


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(2)

 
 
Die schlimmste aller Möglichkeiten ist zur Realität geworden, zwischen dem Britischen Empire und dem chinesischen Kaiserreich ist der Krieg ausgebrochen. Beide Nationen wollen unter allen Umständen einen Weg in die südliche Hemisphäre finden um sich die Rohstoffvorkommen und andere brauchbaren Schätze zu sichern. Während Doktor Ottweill für die Briten einen Tunnel durch die Mauer bohren soll, versuchen die Chinesen den Weg der goldenen Brücke zu finden um ins gelobte Land zu gelangen.

Zwischen den Fronten befinden sich Paolina Barthes und ihre Freunde, zwar über große Strecken voneinander entfernt, aber allesamt auf der Suche nach einer Möglichkeit den Krieg wieder zu beenden. Den Schlüssel dazu scheint ein Mann in den Händen zu halten: Bernard Forthright Kitchens, Sonderbeauftragter der Admiralität – und um den Frieden wieder herzustellen muss er nur seine Königin, Queen Victoria, töten.

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Eines vorneweg:
Ich habe lange überlegt was genau ich zu dem Buch, oder vielmehr zu der ganzen dreiteiligen Reihe, die mit Die Räder der Zeit (Originaltitel Pinion) nun endet, schreiben soll. Soll ich es zerreißen und mich beklagen ob der vielen Stunden die ich sinnlos vergeudet habe um einer Handlung zu folgen die einfach nur überflüssig war und irgendwie im Sande verlief, oder soll ich vielmehr akzeptieren, dass sich jemand viel Mühe gemacht und vermutlich jede Menge Herzblut in diese Serie gesteckt hat, welche, im Nachhinein betrachtet, einfach nicht mein Fall gewesen ist?

Steht es mir als einfachem Leser überhaupt zu, das Werk des Autors mal eben so mit ein paar Sätzen abzuqualifizieren? Natürlich muss sich ein Autor seinen Kritikern stellen und damit rechnen, nicht auf Gegenliebe zu stoßen, dass sein Werk nicht gefällt. Aber, genau wie der Autor, sollte sich auch ein Kritiker die Mühe machen das Werk genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Inhalt muss ja nicht unbedingt gefallen, obwohl das natürlich wünschenswert wäre, aber es gibt möglicherweise ja auch einige andere Punkte die man positiv hervorheben kann – den Schreibstil oder die Verständlichkeit des Textes, vielleicht weiß der Autor auch mit Visionen zu überzeugen oder hat kleine Herzchen als I-Punkt verwendet. Kein Kritiker muss selbst ein Buch geschrieben haben um Kritik üben zu dürfen. Aber dennoch fällt mir die Bewertung für dieses Buch recht schwer.

Das erste das mir negativ auffiel, war die Vielzahl von Handlungssträngen, welche in viel zu kurzer Abfolge stakkatoartig geschildert wurden. Das ging alles Knall auf Fall, teilweise ein bis zwei Seiten, dann der Schwenk zum nächsten Handlungsstrang, wieder ein bis zwei Seiten, dann der erneute Schwenk zum nächsten und so weiter. Man kam nicht zur Ruhe, alles war zu hektisch, durch die Kürze wirkte das ganze zudem episodenhaft, ein Lesevergnügen kam nicht auf. Glücklicherweise wurde es im Lauf der Geschichte jedoch besser. Da immer mehr Handlungsstränge zueinander führten, konnte sich Jay Lake auf einige wenige konzentrieren und diese dann auch ausführlicher behandeln. Allerdings wurde dadurch auch gleichzeitig ein weiterer Schwachpunkt offenbar: Viele der zuvor geschilderten Handlungen und Handlungsstränge entpuppten sich nun im Nachhinein als schlichtweg überflüssig.

Die Geschichte rund um die Eingeborene der südlichen Hemisphäre, Gashansunu, war einer davon. Die mit dem Strang verbundene Einführung in den Komplex Schweigende Welt (transzendente Welt) und der Schattenwelt (unsere Realitätsebene) war zwar nett, jedoch für die eigentliche Geschichte ohne Bedeutung. Das gleiche gilt für das Wiedersehen mit Doktor Ottweill und seinem Team aus Tunnelbauern, sowie der Begegnung Paolinas mit Hethor. Das war ebenfalls ganz nett und Lake hat hier einen Brückenschlag zu seinem ersten Band gebaut, aber für die Geschichte an sich, ebenfalls unbedeutend. Die Liste dieser überflüssigen Begebenheiten ließe sich beliebig fortsetzen – und das ist das wirklich traurige an dem Buch. Es ist vollgepackt mit belanglosen Schilderungen und bedeutungslosem Geschwätz. Das Buch verkommt regelrecht zu einem Diskurs über Philosophie, Religion (gibt es einen Gott oder doch nicht), gibt es eine Seele (auch wa genannt) oder nicht und der Diskussion über Freier Wille / Selbstbestimmung kontra Vorherbestimmung. Und das in einem Ausmaß, den ich schon fast als absurd bezeichnen würde. Irgendwann findet Boas, der Messingmann, in einer Höhle ein Siegel des Salomo, legt es in einem Fach in seinem Bauch ab um es in seine Heimat zurückzubringen, und hört fortan aus seinem Innern eine Stimme die ihn (oder vielmehr den Leser) mit dummen Geschwafel (völlig aus dem Zusammenhang gerissen und in kryptischen Sätzen gesprochen) volltextet. Mit zunehmender Dauer der Geschichte wird das alles nur noch nervig.

Will man einen roten Faden suchen, so suche, zumindest ich, vergeblich. Denn den gibt es nicht.
Mal ein Beispiel: Childress und al-Wazir können sich dazu durchringen das chinesische U-Boot von Kapitän Leung zu verlassen und in einem Beiboot einen englischen Hafen anzusteuern um lebenswichtige Informationen zu sammeln. Im Hafen selber treffen sie auf den Katalogisierer Wang, der auf Befehl seines Regenten auf der Suche nach Childress ist und in einem Boot in den Hafen einfährt. Childress und al-Wazir verlassen den Hafen (ohne sich zuvor Informationen besorgt zu haben) und wechseln auf Wangs Boot über. Weit vom Ufer entfernt, flüchten beide anschließend wieder vom Boot. Dies geschieht auf anraten Wangs (der Childress ja eigentlich finden und nach China zurückbringen sollte) und eines ominösen Mönches, wobei Wang mit tatkräftiger Hilfe den beiden zur Seite steht. Childress und al-Wazir entkommen also, rudern zum U-Boot zurück und fahren, ohne jegliche Informationen versteht sich, weiter Richtung Europa. Wang wird anschließend von seinen Kameraden, da er den beiden zur Flucht verholfen hat, verprügelt und setzt danach seine Suche nach Chrildress fort (die jedoch beendet wäre, wenn er sie nicht zur Flucht aufgefordert und entkommen lassen hätte).

So oder ähnlich zieht es sich durch das vorliegende Buch. Das alles wird zwar ausufernd ausgewalzt, ist aber völlig sinn- und zwecklos. Mir kommt es so vor, als ob hier der Autor einen auf –tollen Erzähler- machen möchte, aber gar nicht mehr mitbekommt, wie sehr er den Leser dadurch langweilt. Es wird fleißig fabuliert, philosophiert und transzendiert - was aber eigentlich völlig überflüssig ist. Fast fühlt man sich ins RTL Dschungelcamp versetzt, wo eine Gruppe völlig unbedeutender Leute eine Reihe von völlig unbedeutenden Aufgaben erledigen soll. Auch Sätze in denen Aussagen wie –zorniges Funkeln der Sterne-, -Staub, der sich zu einer zornigen Wolke verdichtet- oder ein –bedrohlich aussehender Bart- vorkommen, fallen, wenn man als Leser sowieso schon von der Geschichte genervt ist, nicht wirklich auf fruchtbaren Boden. Ich habe das Buch nicht gelesen, ich habe mich vielmehr durchgekämpft.

Nachdem ich nun den Abschlussband beendet habe, kann ich nicht wirklich sagen, dass alle Bände stringent aufeinander aufbauen. Band 1 kann für sich alleine gelesen werden und ist in sich abgeschlossen, da Hethor seine Aufgabe vollendet hat. Nach Band 2 war ich der felsenfesten Überzeugung, dass Lake sich auf die Eroberung der südlichen Hemisphäre konzentriert und mir als Leser einen Einblick in das dortige Reich gibt. Das hätte durch wunderbare und faszinierende Expeditionsreisen geschildert werden können, Lake hätte hier noch einmal groß auftrumpfen und auf ein paar Geheimnisse seines Uhrwerk-Universums eingehen können. Was er jedoch im dritten Band abliefert ist eine unausgegorene, lustlose, zerstückelt wirkende und viel zu lange Erzählorgie. Hier findet selbst Peter F. Hamilton seinen Meister.

Die südliche Hemisphäre wird links liegengelassen, statt dessen schüttelt Lake einen Krieg zwischen den Imperien aus dem Ärmel. Mal eben so, die haben ja sonst nichts besseres zu tun. Wenns für die handelnden Personen mal haarig wird, zaubert Paolina mal schwuppdiwupp ein bisschen mit ihrer Uhr und schon wird alles gut. Ist ja auch einfacher für den Autor. Man stelle sich vor, er müsste hier dem Leser tatsächlich eine nachvollziehbare Lösung bieten. Das ginge ja mal gar nicht. Und wenn Paolina mit ihrer Uhr an ihre Grenzen stößt, ist ja immer noch Gashansunu da. Die fliegt mit ihrem wa mal eben durch die transzendente Schweigende Welt und dann wird auch alles gut. Reicht das immer noch nicht, dann muss zur Not halt die Geheimwaffe des Autors in die Bresche springen: Ein Mönch der sich quasi unsichtbar machen kann. Und wenn dann noch Sonderbeauftragter Kitchens kommt und die Queen umbringt (trotz allem noch der beste Handlungsstrang innerhalb des Buches), dann ist der Tag gerettet. Dann ist nämlich endlich der Krieg vorbei und alle können sich wieder so richtig lieb haben und nach Hause gehen, die Chinamänner und die Männer ihrer Majestät. Dann ist wieder Gruppenknuddeln angesagt. Herrschaftszeiten, wenn ich so einen Stuss lese wird mir regelrecht schlecht. Das Urteil klingt vielleicht etwas zu hart, aber die drei Bücher hätten wirklich alles gehabt um eine runde und lesenswerte Sache werden zu können. Ein interessantes Setting, facettenreiche Pro- und Antagonisten und eine Welt, wie so absurder und interessanter nicht hätten sein können. Nur, in meinen Augen hat Jay Lake die ganze Sache gewaltig verbockt.

Fazit:
Für kalte Wintertage sind die Bücher aus dem Uhrwerk-Universum durchaus zu empfehlen, denn ihr Heizwert dürfte bei dem Umfang wirklich enorm sein. Und das ist gleichzeitig das positivste das mir zu der Reihe von Jay Lake einfällt.
 


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